Unsere Berufung an allen Tagen des Kirchenjahres

Als Jünger Jesu Christi sind wir berufen, allen Menschen durch unser Leben die Schönheit, Liebe und Heiligkeit Gottes zu offenbaren, der sich uns und der ganzen Welt in Seinem Sohn Jesus Christus gezeigt hat, uns von der Sünde erlöst hat und uns aus einem Leben der Sünde wieder zur wahren Gotteskindschaft führen will.
Gott will, dass alle Menschen sich bekehren und in Jesus Christus zum wahren Leben finden. „Er will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“, schreibt der heilige Paulus in seinem ersten Brief an Timotheus (2,4). „Es gibt ja nur Einen Gott und nur Einen Mittler zwischen Gott und den Menschen: den Menschen Christus Jesus, der sich zum Lösegeld für alle dahingegeben hat. Das wurde zur rechten Zeit kundgemacht. Dazu bin ich zum Herold und Apostel bestellt“ (1Tim. 2,5ff.).
Nicht nur Paulus, nicht nur die Apostel und ihre Nachfolger, sondern alle Jünger Christi sollen durch ein heiliges Leben für diese Liebe Christi Zeugnis geben, für Ihn, der für uns Mensch geworden ist, damit wir nicht mehr Gefangene des Bösen und der Sünde, sondern nach dem Sündenfall Adams und Evas wieder wahrhaft Kinder Gottes werden können!
Das setzt voraus, dass wir uns im Glauben und in der Nachfolge Christi umgestalten lassen, dass wir im Heiligen Geist neue Geschöpfe werden, nicht aus unserer Kraft, sondern im täglichen Mitwirken mit Seiner Gnade! Das Licht des Heiligen Geistes soll in uns leuchten und so auch durch uns die ganze Schöpfung mit übernatürlichem Licht, übernatürlicher Wärme und übernatürlicher Herrlichkeit und Heiligkeit erfüllen!
Was wären wir, wenn Gott sich unser und der ganzen Menschheit nicht wieder angenommen und erbarmt hätte, wenn Er nicht selbst in Seinem Sohn als unser Bruder und Meister unter uns erschienen wäre? Die heutige Welt offenbart uns in vielfältiger Weise, dass ein Leben ohne die Liebe Gottes keine wahre Liebe, keinen wahren Sinn, keine wahre Erfüllung und keine wahre Antwort auf die Vergänglichkeit aller irdischen Schönheit und besonders auf den Tod, dem wir seit Adam und Eva verfallen sind, finden und geben kann!
Jeder Sinn, den Menschen aus sich selbst für ihr Leben und Tun zu erfinden scheinen, zerbricht hier auf Erden an der Realität des Bösen, des Ungenügens und des Todes. Der „Ausweg“, den viele versuchen, nämlich einfach nicht über den tieferen Sinn unseres Lebens nachdenken, einfach nur den Augenblick genießen und so weiter, wie wir es heute oft als „Lebensrezept“ hören, ist letztlich auch keiner, denn die Wirklichkeit des Unvollkommenen und des Bösen in dieser der Sünde und damit dem Tod verfallenen Welt holt uns überall ein. Und der Mensch als Vernunftwesen ist auf Sinn und Wahrheit auch angewiesen, ein Leben in Widersinn und Unwahrheit kann für ihn als Ebenbild Gottes kein wahres und erfüllendes Leben sein!
Auch Buddha, der als Königssohn durch seine Eltern vor allem Anblick von Not und Leid bewahrt werden sollte, konnte trotz allem Reichtum und aller Pracht, die ihn wegen der Macht seines Vaters umgab, dennoch dem Elend dieser Welt nicht entfliehen, ja es holte ihn mit umso größerer Wucht ein, je mehr er davon doch eigentlich abgeschirmt werden sollte.
Selbst irdischer Glanz und irdisches Vergnügen und alles, was uns auf Erden beim ersten Anblick noch so erstrebenswert erscheint, trägt in sich nicht nur den Makel der Vergänglichkeit, sondern auch einer inneren Leere. „Es ist alles eitel“ ist der Titel eines Sonetts des Barockdichters Andreas Gryphius (1616 - 1664), ein Thema, das er in der Not seiner Zeit, die von Krieg, Pest und der Suche nach Schönheit und Wert geprägt war, aus dem Alten Testament übernommen hat, wo es immer wieder, in ganz großer Schärfe besonders im Buch des „Predigers“ (Buch Kohelet), anklingt und formuliert wird. Anders als vor Christus erscheint die „Eitelkeit“ der Welt allerdings nicht mehr als eine Macht, der wir nicht entrinnen können, sondern als Mahnung, uns dem wahren Leben, das uns in Christus geschenkt wurde, durch unser Mitwirken zu öffnen, so dass es für uns und für andere zu einer Quelle des Heils und der Heiligkeit werden kann.
Das Alte Testament kennt diese Möglichkeit noch nicht. Es kennt zwar Gesetze, aber noch nicht den Weg, den Willen Gottes vollkommen zu erfüllen! Das Gottesvolk des Alten Bundes ist trotz seines Gottesbezugs und trotz all der Bezeugung der Größe und Erhabenheit Gottes eben immer auch noch ein Zeugnis für die Macht der Sünde und des Bösen in dieser Welt, für die Ausweglosigkeit einer Menschheit in der Sünde, die seit den Stammeltern Adam und Eva alles beschwert und alles menschliche Mühen vergeblich und ohne bleibenden Wert erscheinen lässt.
Und so ist das Alte Testament zwar ein wertvolles Zeugnis für die Auserwählung und den Bund Gottes mit den Menschen, aber immer noch nur ein Zeugnis des Harrens auf Erlösung, des Wartens auf „den Messias“, der die Vollendung, die Überwindung des Bösen und den Sieg des Guten bringen soll, das den Menschen mit dem Sündenfall im Paradies verloren gegangen ist. Wie dies geschehen könnte, ist den Menschen des Alten Bundes noch unvorstellbar. Dass es aber zumindest am Ende der Zeit geschehen muss, erschien klar, wenn man in Gott einen Hüter und Verteidiger des Guten erblickt, als der Er sich auch im Alten Testament schon vielfach geoffenbart hatte. So fehlt dem Alten Testament das Entscheidende der Offenbarung Gottes und des Sinns Seiner Schöpfung, wenn man das Kommen Christi und die Erlösung durch Ihn leugnet.
Das Alte Testament bezeugt klar: Der Mensch war von Gott eigentlich für das Paradies erschaffen und für die vollkommene Gemeinschaft in der Liebe mit Gott. Da der Mensch aber die Güte Gottes verraten und sich von ihr abgewandt hatte, hatte er auch seine eigene Güte und Vollkommenheit als Kind Gottes, damit auch den Sinn und die Erfüllung als Geschöpf in der ungebrochenen Liebe zu Gott eingebüßt. Die ursprünglich vollkommene Gemeinschaft mit Gott war verloren gegangen, damit auch die ungetrübte Beziehung zur ganzen Schöpfung. Die Schöpfung war nicht mehr nur Geschenk, nicht mehr Paradies, sondern sie wurde zu einem Ort der Plage und der Schmerzen, auch wenn sich in ihr immer noch die Liebe ihres Schöpfers offenbarte!
Der Mensch allein konnte sich aus diesem unseligen Zustand, in dem er sich immer mehr verfangen hat, nicht befreien. Er war und ist auf die rettende, heilende und heiligende Hilfe Gottes angewiesen. Auch Heiden wie Buddha, der ja schon lange vor Christus lebte und deshalb von der Offenbarung Gottes nichts wusste, suchten einen Weg, die Welt vom Leid zu „befreien“. Der Buddhismus reflektiert dieses Problem sehr radikal. Da es jedoch aus rein menschlicher Kraft nicht möglich ist, das Übel in dieser Welt zu überwinden. sieht Buddha in seiner menschlichen Beschränktheit nur den „Ausweg“, dass der Mensch versuchen soll, wieder ins „Nichts“ zurückzusinken, den Zustand des „Nirvana“ zu erreichen. Aber ist selbst dieser Weg nicht ein Widerspruch in sich? Ist es wirkliche „Erlösung“ von den Folgen der Sünde?
Der Mensch soll nach Buddha alles Streben um des „Nichts“ willen aufgeben. Doch gleichzeitig soll er doch die Befreiung vom Leid im Nirvana anstreben? Moderne Buddhisten verlassen wegen dieser praktischen Unmöglichkeit meist diese buddhistische Radikalität und interpretieren „Nirvana“ nicht mehr im ursprünglich gedachten Sinn des totalen „Nichts“. Wenn man aber das „Nichts“ als „Ausweg“ aufgibt, kann es dann menschlich gesehen überhaupt noch einen wirklichen Abschied vom Übel auf dieser Welt geben?
Wir sehen: Ohne Gott und Seine Gnade dreht sich der Mensch nur in einem Kreis der Widersprüchlichkeit, der Todesverfallenheit und des Übels. Und dennoch kann er sich nicht einmal durch das „Nichts“, das von Buddha als Ziel einer (Selbst)Erlösung betrachtet und gepredigt wird, von dieser Widersprüchlichkeit erlösen, weil der Mensch nicht einmal das „Nichts“ selbst hervorbringen oder „schaffen“ kann!
Und so ist der Mensch immer und überall auf die liebende Hilfe Gottes angewiesen. Das Alte Testament berichtet auf vielen Seiten von der Nähe und der Hilfsbereitschaft Gottes trotz aller Hartherzigkeit der in Sünde gefallenen Menschen. Schon bei der Vertreibung aus dem Paradies sagt Gott zu, dass nun zwar ein beständiger Kampf zwischen dem Bösen und den Menschen bestehen würde, dass aber ein Nachkomme der Frau der Schlange, durch welche die Sünde ihren Sieg errungen hatte, schließlich den Kopf zertreten werde. Verschlüsselt ist hier also schon ein Sieg über das Böse verheißen, dem die ersten Menschen in der Welt und in ihren Herzen einen Platz eingeräumt hatten und das, obwohl die Menschen sich eben erst schändlich von Gottes Güte abgewandt hatten und ihnen nun nur noch ein Leben außerhalb der ursprünglichen Liebe und Vollkommenheit übrig zu bleiben schien (vgl. Gen. 3,15).
Gott belässt es aber nicht bei diesem damals noch sehr allgemeinen und teils auch noch nicht wirklich verständlichen Versprechen. Er überlässt Seine Schöpfung nicht einem blinden Schicksal der Sündennot, sondern greift immer wieder machtvoll ein in die Weltgeschichte, so dass diese nicht nur eine Geschichte der Sünde und des Unheils ist und bleibt, sondern zur Heilsgeschichte wird, einer Geschichte der Erlösung und der Wiederherstellung der ursprünglichen Güte!
Gott ruft zur Verantwortung und offenbart sich als der Hüter und Verteidiger des Guten gegen alle Mächte der Finsternis. Schon auf den ersten Seiten der Heiligen Schrift überlässt Gott die Welt nicht einfach ihrem Lauf und den Menschen nicht einfach der Gewalt des Bösen, obwohl die Menschheit sich doch selbst darin verstrickt hat. Bereits der Brudermörder Kain muss Rede und Antwort stehen und bekennen, nachdem er Abel getötet hatte: „Meine Schuld ist zu groß, als dass ich sie tragen könnte!“ (Gen. 4,13). Gott überlässt auch hier den Sünder trotz seiner großen Schuld nicht einfach dem Verderben. Kain, der seinen Bruder erschlagen hatte, bekommt von Gott wegen seiner reuevollen Bitte die Zusage, dass Gott trotz der großen Sünde des Brudermordes es nicht einfach zulassen werde, dass nun jeder seinerseits Kain erschlagen dürfe (vgl. Gen.4,15). Gott anerkennt die Reue des Kain und offenbart sich nicht als blinder und hasserfüllter Rächer, sondern als ein Gott, der am Heil eines jeden Menschen interessiert ist und deswegen die Untat zwar wegen ihrer Bosheit nicht einfach tatenlos hinnehmen kann, der aber andererseits auch den reuevollen Sünder nicht ohne Zuspruch und Hoffnung auf Seine rettende und erlösende Liebe einfach zurücklässt, sondern ihm weiter den Weg zum Heil und zur Umkehr offen hält!
Immer wieder muss Gott so wegen der übergroßen Sünden der Menschen ins Weltgeschehen lenkend eingreifen. Er erwählt Menschen, um mit ihnen trotz der sich wegen der Sünden der Menschen ausbreitenden Finsternis einen Bund des Segens zu schließen, denken wir nur an Noe oder Abraham, damit nicht die gesamte Menschheit zugrunde gehe, sondern immer von einem auserwählten Rest aus ein gewisses Licht übernatürlicher Wahrheit ausgehe und eine gewisse Bemühung um das Gute in der Schöpfung verbleibe. Wir alle wissen allerdings aus der Geschichte, dass selbst diese Auserwählten immer wieder auch bitter versagten. Es zeigt sich, wie sehr die Nachkommenschaft Adams und Evas durch die Finsternis und das Gift der Sünde geschwächt worden war und wie wenig von der ursprünglichen Vollkommenheit und Sinn für die sittliche Wahrheit noch übrig geblieben war.
Aus der Nachkommenschaft Abrahams entwickelte sich durch die Söhne Jakobs das Volk Israel, das Bundesvolk des Alten Testaments, zu dessen Befreiung und Herausführung aus der Knechtschaft Ägyptens schließlich Moses berufen wurde. Aber auch dieser Zug ins gelobte Land, den Gott anführte und den Er bereits Abraham für dessen Nachkommen verheißen hatte, verläuft nicht ohne Versagen und Untreue der doch in so großer Gnade berufenen Menschen!
Gott aber ist und bleibt treu, und so erwächst aus diesem ursprünglichen Bund zur Rettung des auserwählten Volkes schließlich der Neue Bund zur Rettung und Erlösung der ganzen Menschheit aus der Macht und der Gewalt Satans! Denn aus diesem Volk, das Gott sich erwählt hat, ging schließlich Christus, der Messias, hervor, der lange vage ersehnt und erwartet worden war, um die Menschen wieder zur vollkommenen Erfüllung des Willens Gottes befähigen und so die Welt aus der Not der Sünde und des Bösen befreien und erlösen sollte.
Anders als bei Buddha zeigt sich in der Erwartung des Volkes Israel eine wahre Lösung und Erlösung, und zwar nicht durch menschliche Kraft und Anstrengung, wie es dort versucht wurde, sondern durch die entgegenkommende und erlösende Liebe Gottes. Ohne diese Gnade Gottes kann der Mensch sich ja nicht selbst aus der finsteren Tiefe der Sünde, in die er gefallen ist, wieder emporheben zum klaren Licht der Wahrheit und der Liebe, die nur Gott in Seiner unendlichen Vollkommenheit wieder neu schenken kann.
Ohne Jesus Christus sind alle Religionen oder jeder Religionsersatz wie der Buddhismus nur Versuche von „Selbsterlösung“. In Wirklichkeit aber bleibt die Menschheit am Ende aller dieser rein menschlichen Bemühungen doch immer noch unmündig, unerlöst und ohne wahre Erfüllung oder Vollendung!
Selbst das Israel des Alten Testaments, das so vieler Offenbarungen und Hilfen Gottes gewürdigt worden war, konnte den Schatten, der über aller irdischen Wirklichkeit hängt und den Blick zum klaren Himmel verwehrt, noch nicht wirklich durchdringen. Die Botschaft des Alten Testaments ist eine Botschaft der Sünde und des Abfalls, die zwar schon die Zusage Gottes und Sein machtvolles Eingreifen in die Geschichte kennt, aber eben noch nicht einen wirklichen Ausweg aus dieser Finsternis des gottfernen Lebens in der Sünde, das die ganze Welt prägt.
Weil die Menschen des Alten Bundes allerdings auch von Gottes Gnade und Führung durchdrungen und erfasst wurden, erscheint das Alte Testament nicht mehr ganz so finster wie die heidnischen Mysterien und Mythen, denen der Blick für das Heil, zu dem der Mensch von seinem Schöpfer berufen ist, und damit die Kraft der „Wahrheit“ selbst, die letztlich Gott ist, weithin verloren gegangen ist.
So liegt über den Zeilen des Alten Testaments immer noch ein drückender Hauch von Bitterkeit, die im Anblick der Nähe Gottes Seinem Volk gegenüber allerdings nicht mehr so stark und scharf oder betäubend empfunden wird wie in „Kulturen“ oder Gesellschaften ohne jede übernatürliche Offenbarung Gottes. Insofern Gott sich in Wahrheit auch als ein Gott der Geschichte geoffenbart hat, der die Menschen auf ihrem Weg durch diese sündengeplagte Welt begleitet und führt, begann eine neue Hoffnung den Geist und das Herz der Menschen zu erleuchten und zu beleben, die in der Erwartung eines Messias, eines von Gott gesalbten Königs, Priesters und Erlösers einen ahnungsvollen, aber noch nicht wirklich klaren Horizont der Erwartung bildete!
Wie fern Israel dabei allerdings immer noch von der uns heute geläufigen Hoffnung entfernt war, die uns in Christus, unserem Erlöser, geschenkt ist, sieht man, wenn man daran denkt, dass es in Israel nicht einmal eine klare Lehre über die letzten Dinge des Menschen gab, so dass die hauptsächlich den Tempelkult prägenden und verwaltenden Sadduzäer eine Auferstehung sogar glattweg leugneten (vgl. Mt.22,23ff.). Jesus musste ihnen mit dem Hinweis auf den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs erst noch deutlich und verständlich machen, dass Gott nicht „ein Gott von Toten, sondern von Lebenden“ (Mt. 22,32) ist und nur sein kann.
Und so erinnert noch manche Seite des Alten Testaments an die „Ausweglosigkeit“ des Menschen in einer Welt der Sünde und der Not, ähnlich wie sie auch Heiden wie Buddha erlebt und beschrieben haben: Trotz aller Erkenntnis der Großtaten und auch der Heiligkeit Gottes, die Israel zuteil wurde, trotz der Offenbarung der Gebote, der Forderungen der Liebe zu Gott und zum Nächsten, trotz der Verehrung Gottes in einem herrlichen Tempel, der zur Zeit Jesu als der prächtigste der ganzen antiken Welt galt, fehlte auch dem Volk Israel noch die abschließende und vollkommene Offenbarung Gottes. Sie wurde erst möglich und auch verstehbar, als Gottes Sohn selbst hier auf Erden erschienen war und der blind gewordenen Menschheit nach einer Jahrtausende langen Gefangenschaft in der Sünde es wieder möglich gemacht hatte, das wahre Licht des Himmels zu erkennen und im Heiligen Geist wieder zur Kindschaft Gottes und zur wahren Liebesgemeinschaft mit Gott gelangen zu können.
Das Buch Kohelet (Prediger oder Ecclesiastes) beschreibt kurz und prägnant die Not, in der auch der alttestamentliche Gläubige noch lebt: Er hat zwar Grund, Gott für alle guten Gaben zu danken und sich an ihnen auch zu erfreuen, aber letztlich ist das Leben hier auf Erden wie ein Wahn, alles ist „eitel“ und leer, weil alles vergeht und nichts bleibt. Erst die übernatürliche Liebe, die der Heilige Geist in unsere Herzen ausgießt, wenn wir durch die Taufe Glieder am mystischen Leib Christi geworden sind, erlöst uns aus dieser Trostlosigkeit der Gottesferne und der Vergänglichkeit. Indem Jesus Christus sich für unser Heil in Liebe hingegeben und die Sünde und das Böse in der Welt so überwunden und besiegt hat, hat Er auch für uns einen neuen Weg der Liebe und damit der wahren Gotteskindschaft erschlossen.
Damit ist auch der übernatürliche Glanz der Gottseligkeit als wahre und wärmende „Sonne“ in die Welt zurückgekehrt, erkennbar und erfahrbar für jene, die sich dieser Liebe Gottes öffnen und sich mit Christus im Glauben anschließen und so zu Seinem mystischen Leib werden.
Und so kann auch im Hinblick auf unser neues Leben in Christus Thomas von Kempen (* um 1380; † 25.07.1471), Augustiner-Chorherr, Mystiker und Verfasser der „Nachfolge Christi“, die Aussage über den Wahn und die Eitelkeit der Welt, von der Kohelet 1,2 im Alten Testament spricht, in neutestamentlicher Sicht voll Hoffnung ergänzen:
„O Eitelkeit der Eitelkeiten - alles ist Eitelkeit, außer Gott lieben und ihm allein dienen!“ (Nachfolge Christi, Kap. 1,3). Durch Jesus Christus sind wir nicht mehr hoffnungslos dieser Eitelkeit, das heißt der Leerheit und Nichtigkeit der Welt in der Sünde ausgeliefert. Wir haben als Kinder Gottes wieder Anteil an Seiner Liebe, sind erlöst von der Macht der Sünde und können so auch selbst wieder wahrhaft lieben! Diese neue Gemeinschaft mit Gott in der Liebe schenkt uns auch eine neue, wahre und übernatürliche Hoffnung, die wir im Glauben an Jesus Christus finden und der gegenüber alle Güter der Welt ihre Eitelkeit offenbaren:
„Eitelkeit ist es, vergängliche Reichtümer zu suchen und darauf seine Hoffnung zu setzen. Eitelkeit ist es, nach hohen Ehrenstellen zu trachten, und sich über andere hoch emporschwingen zu wollen. Eitelkeit ist es, sich den Lüsten des Fleisches zu ergeben und Dingen nachzujagen, um derentwillen man einst die empfindlichsten Strafen leiden müssen wird. Eitelkeit ist es, nur zu wünschen, lange zu leben, und sich nicht darum zu bekümmern, Gott gefällig zu leben. Eitelkeit ist es, seine ganze Aufmerksamkeit auf das gegenwärtige Leben zu richten, ohne auf das zukünftige hinauszublicken. Eitelkeit ist es, das zu lieben, was mit Blitzesschnelle vergeht, und nicht dorthin zu eilen, wo die Freude kein Ende nimmt“ (Thomas v. Kempen, Nachfolge Christi, Kap. 1,3).
Die „Eitelkeit“ der Welt ist zwar auch jetzt noch ein großes Thema für alle, die hier auf Erden leben. Aber wir sind ihr nicht mehr hilflos ausgeliefert, sie wird überstrahlt von einer neuen, anderen und göttlichen Wirklichkeit, die sich uns nun in ihrer ganzen Schönheit und Liebe zeigt und offenbart! Wenn auch die Heiligen in allen Epochen der Kirchengeschichte uns davor warnen, uns an die Eitelkeit der Welt zu verlieren, so ist das nicht mehr die Klage der Zeiten vor Christus, in der es keinen Ausweg aus dieser Eitelkeit zu geben schien!
Die Fülle der Liebe Christi hat nun die Leerheit und Nichtigkeit einer Welt in der Sünde überwunden und uns mit Hilfe der Gnade es wieder ermöglicht, das eigentliche Ziel und den Sinn unseres Lebens zu erreichen: Die Vereinigung mit Gott in der Liebe.
Das hat zur Folge, dass nicht mehr der Tod in uns regiert, sondern das übernatürliche Leben. Christus ist für uns Mensch geworden, damit wir wieder Anteil an Seinem göttlichen Leben finden und erhalten können!
Dieses Geschenk sollen und können wir nicht für uns allein anstreben oder behalten, denn die Liebe zu Gott führt uns auch zur Liebe unseres Nächsten. Es ist das Geheimnis der Liebe, dass sie teilt und sich mitteilt! Und weil die (übernatürliche) Liebe kein „Besitz“ ist und keine Sache, sondern der Heilige Geist selbst, der in der Taufe unser Herz umgestaltet und in uns wirkt und in uns wohnt, kann sie auch nicht weniger werden, wenn man sie teilt. Je mehr die Liebe Gottes beantwortet und von uns weitergegeben und geteilt wird, desto mehr kann der Heilige Geist sein Licht verbreiten, u in den Herzen entfalten, sie erneuern und uns alle bereichern!
Das Erlösungswerk Christi ist nicht etwas, wo Gott uns einfach etwas „aufdrücken“ will ohne unsere Zustimmung und Mitwirkung. Das Heil beginnt für uns und für die ganze Welt in der freien Antwort der Liebe eines jeden einzelnen! Und so wächst auch das Reich Gottes wie die Geschöpfe dieser Erde: Gott sät und schenkt uns Seine Gnade, aber nur dort, wo der Samen gutes Erdreich findet, kann die Saat auch wunderbare und wundervolle Früchte hervorbringen!
Solche guten Früchte wahrer Heiligkeit erwartet der Schöpfer von uns allen. Allerdings erinnert Jesus Christus uns auch daran, dass wir sie nur in Einheit mit Ihm, der Quelle alles Guten hervorbringen und reifen lassen können: „Bleibt in mir und ich bleibe in euch! Wie die Rebe aus sich selbst keine Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt! Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben!“ (Joh. 15,4).
Gerade in dunklen Zeiten müssen wir uns und die Welt immer wieder daran erinnern, wo das wahre Licht zu finden ist, das erleuchtet und den Weg aus der Finsternis weist, zu finden ist! Menschliches Wissen und menschliches Bemühen ist ungenügend und hat keine Kraft, aus sich selbst dieses für die ganze Schöpfung so notwendige Licht hervorzubringen, das erst das wahre Leben schenken kann!
Nur der Schöpfer selbst, der uns nach dem Sündenfall wieder erlöst hat, besitzt alles Licht, alles Leben und damit auch alle Freudenfülle, für die unser Herz erschaffen ist. Wenden wir uns nicht wieder von Ihm ab, der uns ja mit Sich selbst, mit Seiner Liebe erfüllt, umgibt und erhält, damit wir nicht mehr in der finsteren Einsamkeit der Sünde, sondern in der lichtvollen und erfüllenden Gemeinschaft mit Ihm leben!
Ein großer Schatz ist uns damit anvertraut. Bitten wir um die Gnade, uns dieses Schatzes würdig zu erweisen und ihn auch zum Heil für uns und für andere recht zu gebrauchen! Es geht darum, die Heiligkeit Gottes in unserem Leben widerzuspiegeln und sie durch uns hindurch leuchten zu lassen. Maria und alle Engel und Heiligen mögen uns als Gliedern der Kirche Christi helfen, in diesem Sinn unseren Weg hier auf Erden in der Liebe Gottes zu gehen und so das Angesicht der Erde im Heiligen Geist zu erneuern!

Thomas Ehrenberger

 

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